Profi Know-how zu »Motiation«
Wer anständig führt, muss sich um Motivation kaum kümmern
Motivation ist immer wieder ein viel bemühter Begriff. Doch kaum einer weiß, was es genau ist und was Motivation nun leisten kann – und was auch nicht.
Ganz klar: wenn Menschen etwas gern tun, ihre Wertschöpfung gesehen und anerkannt wird, das Arbeitsklima passt, dann sind sie meist auch bereit, gute Leistung zu erbringen. Jedoch ohne Garantie und ohne dass es hier wirklich lineare Ursache-Wirkungs-Beziehungen gibt.
Viele messen Motivation mehr Bedeutung zu, als sie erfüllen kann. Das Prinzip Hoffnung ist jedoch kein Führungsgrundsatz. Wir raten dazu, etwas weniger über Motivation und stattdessen etwas mehr über gute, sichere Führung nachzudenken. Wir wollen den Begriff etwas entzaubern und behaupten: Wer anständig führt, muss sich um Motivation ziemlich wenig Gedanken machen.
WARNHINWEISE
Führung verfügt über keine generelle Erlaubnis zur Demotivation!
Die Ermunterung, weniger über Motivation nachzudenken ist kein Aufruf, zu demotivieren. Führung bedeutet immer wieder, eine Balance zwischen betrieblichen Ergebnissen und den mitarbeitenden Menschen herzustellen. Einseitigkeiten machen erfolglos oder demotivieren.
Führung muss sich selbst und anderen auch Frustration zumuten.
Motivation ist kein Konsumgut.
Und noch mehr: Motivation ist keine ausschließliche Führungsaufgabe. Motivation ist Selbstverantwortung und nichts, das durch Führende hergestellt und durch Mitarbeitende verbraucht wird. Führende können jedoch ein Umfeld schaffen, in dem die Motivation der Mitarbeitenden gut gedeihen kann. Damit das gelingt, ist gute, dialogische Kommunikation Voraussetzung.
Rosa Brillen sind keine Führungsinstrumente.
Belohnen oder Bestrafen ist nicht Motivieren. Schönreden, Umdeuten und Verschweigen unangenehmer Tatsachen ist Verarschung und nicht Motivieren.
Führende müssen ihren Trostreflex beherrschen.
Das gilt auch für Reflexe wie Gegenangriff, Ignorieren, Rechtfertigen, Kompensieren usw., wenn Mitarbeitende frustriert sind oder ihre Frustration den Führenden vorwerfen.
Minderleistung ist kein Motivationsanlass.
Vielmehr ist Minderleistung ist Gelegenheit zu Kritik und zum Einfordern. Die Pflicht der Mitarbeitenden, das zu erfüllen, auf was sie sich vertraglich eingelassen haben, steht vor jedem Bemühen um Motivation.
Mitarbeitende dürfen frustriert sein.
Emotionen sind etwas zutiefst Menschliches. Emotionen zu verbieten wäre zutiefst unmenschlich. Genau das wird aber immer wieder versucht, obwohl es noch nie wirklich funktioniert hat. Trotz dieser unumstrittenen Tatsache lassen sich viele Chefs von der Annahme leiten, dass Frustration etwas Verbotenes sei und sie die Verantwortung für Motivation hätten.
Da sie nichts Verbotenes tun wollen, senden sie weichgespülte, mehrdeutige und unklare Botschaften.
Ergebnis: Absicht und Wirkung klaffen weit auseinander, denn Rumeiern führt mit Sicherheit zur Demotivation. Also: Gestatten Sie Ihren Mitarbeitenden, dass sie frustriert sein dürfen – egal, in welcher Situation.
Motivation ist keine Droge, die man den Mitarbeitenden verabreicht, auf dass diese Führungsfehler vergessen.
Motivation kompensiert keine Führungsdefizite. Mangelnde Fähigkeiten zu klaren Entscheidungen, zu konstruktiver Kritik oder zum Einfordern von vereinbarter Leistung können nicht durch mehr Motivation der Mitarbeitenden wettgemacht werden. Im Gegenteil: Führungsdefizite demotivieren.
Frustration ist keine Erlaubnis für Minderleistung.
Die Erlaubnis zur Frustration ist aber keine Erlaubnis für Minderleistung. Am Monatesende erhält man sein Gehalt völlig unabhängig vom Gemütszustand. Dafür darf auch Leistung erwartet werden – egal, ob man sie fröhlich oder frustriert erbringt. Deshalb gehört beides zusammen: Frustrationserlaubnis und Leistungserwartung.
Ein Beispiel:
Eine Führungskraft hat zwei Mitarbeitende, die schulpflichtige Kinder haben. Beide wollen in den anstehenden Pfingstferien zwei Wochen Urlaub. Aus betrieblichen Gründen kann jedoch immer nur einer der beiden frei nehmen.
Betrachtet die Führungskraft das als Dilemma, kann das zu Entscheidungsunfähigkeit (Paralyse) oder unpassenden Reaktionen führen (etwa Kompromisse, der eine Kollege soll die zwei Wochen vormittags Urlaub nehmen, der andere nachmittags bzw. unstimmige Kompensationsangebote:
»Wenn Sie auf den Pfingsturlaub verzichten, dann dürfen Sie im Herbst ein Seminar besuchen« oder Versuche von Konfliktvermeidung: »Einigen Sie sich als erwachsene Menschen selbst!«).
Führung zeigt sich hier zunächst im kreativen Gestalten eines Verfahrens, das die Urlaubsplanung insgesamt (nicht nur an Pfingsten) so regelt, dass sie allen Beteiligten möglichst gerecht und transparent erscheint: »Ich habe meinen Pfingsturlaub zwar nicht bekommen, das ärgert mich im Moment, jedoch hat der Chef nachvollziehbar und fair entschieden, das ist absolut O.K.«.
Und Führung zeigt sich in dem dann folgenden eindeutigen Treffen sowie klaren und sozial verträglichen Mitteilen von Entscheidungen. Letztlich bedeutet Führungskompetenz, auf kreative Weise
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vermeidbare Frustrationen auszuschalten (z. B. durch gerechte Verfahren) und
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notwendige Frustrationen sich und anderen zuzumuten. ("Sie bleiben über Pfingsten hier")
Quelle: Karl Kreuser, Ethik – brauch ich das? Spektrum der Mediation Heft 68/2017