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Profi Know-how zu »Ethik«

Um diese Fragen nicht nur oberflächlich zu beantworten, braucht es einige Grundannahmen. Ethik ist die Wissenschaft von Moral und eine Moral ist ein Normensystem für menschliches Handeln mit Anspruch auf absolute Gültigkeit. Moralische Normen repräsentieren Werte. Das führt in unserem Fall zur Unterscheidung der reinen Anwendung mediativer Techniken gegenüber Mediation, die einer mediativen Haltung bedarf und Werte realisiert wie Autonomie, Allparteilichkeit und Neutralität oder Vertraulichkeit und Verschwiegenheit.

Unter uns: Die generelle Methode der Mediation (5 Phasen) ist banal einfach und in einem

Nachmittag erlernbar. Darin ist jede Mediation Gleiche unter Gleichen. Der einzige Wert in der Anwendung ist ein technischer – das möglichst exakte Einhalten der Vorgehensweise. Mediation ist aber über Methode hinaus auch Medium: sie wird nicht einseitig von der Mediator_in produziert und von den Klient_innen konsumiert.

Das, was sich dort ereignet, geschieht als situativ konkrete Koproduktion von Mediator_in und Klient_innen. Dazu müssen verschiedene Beziehungs- und Prozessqualitäten (wie Empathie, Respekt und Vertrauen) hergestellt und aufrechterhalten werden.

Diese Qualitäten relativieren Ressourcen, wie die erforderliche Macht zur Prozesssteuerung, und erzeugen Unschärfen, die es handzuhaben gilt. Darin ist jede Mediation einzigartig und unverwechselbar. Das ist von verinnerlichten Werten abhängig und nicht an einem Nachmittag erlernbar. Hier sind wir wieder bei der Moral, denn diese entwickelt sich durch reflexive Verinnerlichung von Werten. Ohne Reflexion wäre es Dressur oder Abrichtung. Auch erfahrene Profis müssen die Realisierung von Werten durch ihr mediatives Handeln immer wieder reflektieren, um nicht in ein rein mechanistisches Arbeiten zu verfallen.

Die gute Nachricht vorweg: Wenn Sie Mediation für sich, auf Ihrer Website und gegenüber Ihren Klient_innen rein als »Methode der fünf Phasen« definieren, müssen Sie nicht weiterlesen. Ersparen Sie sich die anstrengende Auseinandersetzung mit reflexiver Verinnerlichung von Werten! Für eine Grundsatzdiskussion mit Wissenschaftsbeirat und Vorstand des Österreichischen Bundesverbands für Mediation ÖBM hat Karl Kreuser folgendes Thesenpapier bereitgestellt, das zeigen soll, wie wichtig ethische Überlegungen für Profimediation sind:

 

Berufsethische Gedankenspiele

 

Brauchen Mediator_innen moralische Auseinandersetzung mit ihrem Tun? Haben sie nicht durch Ausbildung und Praxis eine mediative Grundhaltung verinnerlicht und ist diese Frage eher etwas für Schöngeister und Philosophie-Freaks? Und was kann ein

Mediationsverband dazu leisten, ebenso: was sollte er lieber nicht tun?

Mediation und Professionalität

Mediator_innen sind Dienstleister­_innen, die Mediation anbieten. Sie bearbeiten also Kontexte, in denen Mediation stattfinden kann. Dienstleistung sagt zunächst etwas über Qualitäten des Was aus: Über die Substantive Dienst und Leistung können Ergebnisse erschlossen werden und die Verben dienen und leisten verweisen auf den Prozess. Moral liefert dazu Aussagen über das Wie. Die Fähigkeit zur Einbettung von Mediation in Kontexte führt zum Begriff der Professionalität. Jede Profession hat zunächst eine gesellschaftliche Funktion wie das Beschaffen und Herstellen z. B. von Gesundheit (Arzt; Therapeut), Rechtssicherheit (Jurist), Bildung (Lehrer) oder Lösung (Mediator_in).

Eine Profession muss gegenüber der Gesellschaft ihre Möglichkeiten darstellen (wenn ich streite, ganz konkret: Was leistet Mediation und wo bekomme ich sie her?) und Sicherheit vermitteln im Was (z. B. Verweis auf Ausbildungen oder Erfahrungen) und auch im Wie (z. B. Verpflichtung auf berufsethische Standards). In beiden Fällen kann die Mitgliedschaft im Verband hier als gute Reputation dienen, wenn der ÖBM dazu Standards zur Verfügung stellt, auf die man sich berufen kann. Professionalität hilft auch, eigene Verfahren (wie Mediation) in Kontexte einzuordnen und mit Grenzen umzugehen. Auch das sind wertebasierte Fragen, die professionelle Mediation von Mitleid oder Sendungsbewusstsein befreien.

Genauso erzeugen sie moralische Dilemmata, etwa wenn die Voraussetzungen für eine Mediation nicht vorliegen, davon aus professioneller Haltung abzuraten oder sie aus wirtschaftlichen Gründen doch anzunehmen. Professionelle Mediator_innen werden eben nicht auf das Stichwort »Konflikt« hin einfach los mediieren, sondern prüfen zuvor die Sinnhaftigkeit ihres Vorgehens im Kontext. Professionalität führt fast automatisch zu erweiterten Qualitätsbetrachtungen: Neben die innere Betrachtung (z. B. »wie kann ich noch gewaltfreier kommunizieren?«) tritt die äußere (z. B. »wie kann ich meinen Klient_innen bestmöglichen Nutzen verschaffen?«). Das alles hat mit ständiger Abwägung von Werten zu tun.

Diese kurze Abhandlung darüber »wie man Mediation auch sehen kann« deutet an, wie sehr berufsethische Fragen davon abhängen: Was, bitte, ist Mediation?

Sie zeigt ebenso, wie notwendig und nützlich eine moralische Auseinandersetzung mit dem eigenen mediativen Handeln sein kann. Die Frage ist nun, was der ÖBM für Mediator_innen leisten kann und wo Grenzen bestehen. Besonders wenn der Verband das Image hat, Vorreiter in Fragen rund um Mediation zu sein und den Anspruch hat, Zeichen zu setzen.

Offensichtlich ist, dass es im Sinn des Empowerments der Mitglieder, also im Bestärken darin, noch marktfähiger zu werden, nützlich ist, »Etwas« zur Verfügung zu stellen, auf das man sich in der Eigendarstellung berufen kann, wie gewisse berufsethische Standards. Offensichtlich sind auch qualitative Zugewinne durch Wertediskussionen oder das Verankern reflexiver Elemente in Ausbildung und Anwendung.

Das sind Beiträge zur Professionalisierung von Mediation, die der ÖBM gut leisten kann. Über die derzeit formulierte mediative Grundhaltung hinaus (als »minimalistische Mediationsethik«) braucht es die Erweiterung zu einer Beratungsethik, die den Dienstleisungsaspekt mitführt, der unsere Professionalität ausmacht und uns von reinen Methodenanwender_innen unterscheidet. Zentrales Element in der Mediation ist Autonomie. So muss gerade der Verband darauf achten, im Verbindlichsetzen von Standards die Autonomie der Mediator_innen zu respektieren. Es kann also nur auf eine Selbstverpflichtung hinauslaufen und darf keine Zwangsvereidigung werden. Die Standards müssen Universalität besitzen (gilt für alle Mediator_innen, zumindest für alle Mitglieder) und Konsensfähigkeit aufweisen (alle Mediator_innen können ihnen zustimmen, zumindest jedoch alle Mitglieder).

Die Einführung einer bestehenden Morallehre (etwa die christliche) oder die ungeprüfte Übernahme von irgendwelchen Katalogen von Tugenden entspricht dem nicht, da bestimmte Gruppen (etwa Anders- oder Nichtgläubige) exkludiert werden.

Gute berufsethische Standards können schließlich auch als Maßstab für Schlichtungskommissionen dienen, wenn Mediation selbst zum Streitobjekt wird. Gutachter haben damit eine qualitative Basis, die angibt, auf was es wirklich bei Mediation ankommt und das ist eben nicht das exakte Abarbeiten einer Methode.

Egal, zu welchem Ergebnis es führen wird: Ich halte eine ethische Auseinandersetzung im ÖBM für spannend und fruchtbar. So ganz nebenbei lernen wir dabei unsere Profession und unsere Grundannahmen über das Funktionieren von Mediation wesentlich besser kennen.

Schon das lohnt sich.

Die Konsequenz

Literatur:

  • Kreuser Karl (2017). Behauptung einer normativen Führungsethik, Unterföhring

  • Kreuser Karl (2017). Ethik – brauch ich das? In: Spektrum der Mediation, Heft 68

  • Kreuser Karl (2017). Mir doch egal, was Mediation ist. In: Kriegel-Schmidt Katharina (Hrsg.): Mediation als Wissenschaftszweig. Im Spannungsfeld von Fachexpertise und Interdisziplinarität, Wiesbaden

  • Kreuser Karl (2016). Was zwischen dem Team und der Beraterin steht. In: Kreuser Karl und Robrecht Thomas: Wo liegt das Problem, Berlin

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